Texte > von und über Luis Sammer

> Luis Sammers Arbeiten erzählen vom "Daheim und Anderswo" ...
> Die Motive sind gesammelt, der Maler bekennt Farbe.
> Verinnerlichte Landschaften. Zu den Serien Landschaftsspuren von Luis Sammer
> ich habe ihn verschlafen gesehen, als er um vier uhr in der früh ...
> Landscape Behind The Landscape
> Che Luis Sammer non aspiri all'interpretazione e nemmeno alle "reinterpretazione"
> "Der zufällige Blick genügt nicht" -- Luis Sammer im Gespräch


"Der zufällige Blick genügt nicht" -- Luis Sammer im Gespräch über Malerei als Formfindung. Überwindung von Fremdheit und als Möglichkeit für ein erfülltes Leben.

Werter Herr Professor Sammer, Sie feiern heuer Ihr 75. Lebensjahr, 150 Einzelausstellungen gab es von Ihnen bisher, und in fünf Ausstellungen ist 2011 eine reiche künstlerische Blütenlese von Ihnen zu sehen. Ist der Blick des Künstlers Luis Sammer auf die Zukunft oder auf die Vergangenheit gerichtet?
Ich selber erlebe so viele Freuden und Leiden, Höhepunkte, dass es für die Malerei reicht. Ich glaube nicht, dass man zukunftsorientiert künstlerisch tätig sein soll, willentlich, spekulativ, sondern wenn wir Probleme von heute lösen, müsste das in die Zukunft führen. Ich mag auch kein Gestern. Zurückschauen ist nicht sinnvoll. Das Gestern leben wir ja heute. Ich sehe Rückschau als Hilfe, die Gegenwart besser zu verstehen.

Kann man Ihre Malerei dann als Momentaufnahme sehen?
Ja, das ist es. Das geht sogar soweit, dass, wenn ein Bild fertig ist, es nicht mehr so interessant ist wie das neue, das ich gerade beginne. Das nächste Bild interessiert mich dann mehr als das, was ich schon kenne.

Worin sehen Sie das Bleibende Ihrer Arbeit?
Für mich ist glaubwürdiges Arbeiten nicht so sehr von der Umwelt, sondern vom Werk aus glaubwürdig. Ich bin nicht so erfreut, wenn man über mich als Person schreibt, sondern ich bin neugierig, was über mein Werk gesagt wird. Für mich gilt, es gibt Gesetze, die Kunst zu einer solchen machen. Es muss, seit Kunst gemacht wird, etwas Bleibendes geben. Für mich ist es die Komposition. Ich bin überzeugt, dass es bleibende Gesetze der Kunst gibt.
Ohne gewachsene Maßstäbe nur auf das Neue zu schielen ist für mich zu kurzlebig, zu leicht manipulierbar und damit unglaubwürdig. Ein Bild ist und bleibt ein Bild. Es ist weder Urbild, noch Sinnbild oder gar Abbild. Es bleibt des künstlerischen Menschen Machwerk mit seinem einmaligen Sensorium für Fühlen und Wollen, seiner eigenen Sicht der Umwelt und somit auch ein Beitrag zu einer Zukunftsbewältigung. Für mich ist das künstlerische Tun vor allem eine Frage der Form.

Was bedeutet "Form" in diesem Zusammenhang?
Form bedeutet mehr als Stil. Sie ist mehr als eine Art von Darstellung oder ein Prinzip der Gestaltung. Ihr Charakter ist ein geistiger. Wenn ich an Cezanne denke, ist es egal, ob es Krüge sind oder ob es um ein persönliches Leid geht, das er darstellt. Ich meine kompositorisch das Loch zu sehen, wenn das Bild nicht stimmt. Es ist egal, was dargestellt ist. Diese Form impliziert die spirituelle Durchdringung eines Stoffes, damit der Künstler für ein bestimmtes Was das einzige mögliche Wie finden kann.

Kunst ist also in Ihren Augen nicht zeitgebunden?
Die Zeit ist von der Gesellschaft geprägt, und automatisch, wenn Künstler Antennen wären, ein Seismograf dafür, was in der Gesellschaft passiert, dann wäre die Kunst ein gesellschaftlich wichtiger Faktor. Ich widersetze mich der beiläufigen Beliebigkeit, die ich heute oft wahrnehme. Mir kommt vor, alte Werte gingen verloren und neue sind nicht da.
Die Schlüssigkeit der Form, die formale Stimmigkeit, wozu für mich auch die Farben gehören, entscheidet darüber, ob und inwieweit meine Bilderwelt die naturgegebene höchst unzureichende Abbildhaftigkeit überschreitet.

Warum malen sie überhaupt? Was ist ihr letztgültiges Motiv, um als Künstler authentisch zu bleiben?
Eine sehr schwierige G'schicht ... Warum lebst du? Warum denkst du? Das Malen heißt für mich, Dinge sagen zu wollen - und manchmal meine ich es auch zu können -, die man nur auf diese Weise sagen kann. Das ist quasi mein Programm der persönlichen Formfindung.
Meine Bilder brauchen von den Betrachtern ein schauendes Verweilen. Alle Bilder sind für mich fertig, ich bin am Ende, ich habe nichts Unverzichtbares mehr hinzuzufügen. Und dennoch sind die Bilder wieder nicht fertig, sie sind nicht eindeutig lesbar, sie fordern, sie laden das "Du" ein, einzusteigen, sich mit eigener Sicht kreativ einzubringen, also schöpferisch tätig zu sein. Bekanntlich kann kein Mensch bildlos leben. Ein gutes Bild ist im Arbeiten immer fertig und nie fertig. Vielleicht ist es erst im Auge kognitiv und im Bauch des Beschauers gefühlshaft fertig. Das kann die Fantasie beflügeln, wenn ich Verschiedenes darin sehen kann. In dem Sinne sind meine Bilder nicht abstrakt, sie fußen auf Erfahrungen der Umwelt, allerdings nicht abbildhaft - fast hätte ich "als Konserven" gesagt - und bedürfen letztlich des "Du". Wer von uns kann abstrakt essen und trinken? Abstrakt sind Sachen, die nicht mehr leben. Der zufällige Blick genügt nicht!

Wann ist Luis Sammer ganz bei sich?
Ich bin ein südländischer Typ, ich bin ein lustiger Mensch. Das Auf und Ab im Leben wird sich beim Maler automatisch im Bild zeigen oder absichtlich konträr darstellen. Ich mag nicht gern, wenn man vom Bild auf den Menschen schließt. es kann durchaus sein, dass ein Künstler am Bild das tut, was man im Leben nicht vermag. Hochzeiten und Tiefschläge müsste der Künstler in seiner Sensibilität am Bild in irgendeiner Form sichtbar machen. Auch die Umgebung ist anregend, für mich Meer, Sonne, Süden - seit Jahrzehnten. Das will ich am Bild auch sichtbar machen: jene Leichtigkeit, jenes spielerische Element, Ordnungssysteme, die fremd sind, Menschen in ihrer Eigenart zeigen. Wer kennt das im Alltag nicht? Man muss nicht Maler sein dafür, der wie ein Gott über die große Leinwand seinen Strich zieht und zugleich bist du unsicher und fängst mit der linken Hand an, den Strich mit Terpentin wieder runter zu waschen. Wer ist es, der hier korrigiert? Ich habe Bilder, wo sicher zehn Bilder übereinander sind, und es gelingen Bilder, die in kürzester Zeit stimmen. Manchmal strapaziert man mehr seine Emotionen und dann wieder kognitiv sein Hirn. Es muss immer eine neue Welt in jedem Bild gezimmert werden. Ob sie hält, wie lange sie hält, ist fraglich.

Die Anzahl Ihrer Ausstellungen ist legendär. Warum sind Ihnen Präsentationen wichtig?
Wenn ich arbeite, hat niemand neben mir Platz. Nur durch Ausstellungen, durch Herzeigen, erreiche ich das "Du", mein Publikum. Ich habe mehr als 150 Einzelausstellungen und 300 Beteiligungen gehabt. Die geben mir das Gefühl, das Du einzubeziehen. Heuer war es ein Marathon, wobei ich nicht Schwierigkeiten habe mit der Anzahl von Arbeiten, weil ich in Serien arbeite, wo 20 bis 25 Arbeiten entstehen. Es ist die Frage der Überforderung des Publikums. Man kann nicht drei Ausstellungen in Graz haben, das ist zuviel.

Blicken wir kurz zurück auf die Anfänge. Sie haben bei Andersen und Boeckl von 1958 bis 1953 in Wien studiert. Was war prägend für Ihr Lebenswerk?
Ich habe nie gedruckt, ich habe mich gleich zur Malerei bekannt. Die Landschaft hat von jeher meine Malerei geprägt. Im Strich bin ich sicher ein Andersen-Schüler, in der Farbe ein Boeckl-Schüler. Die haben sich bekanntlich nicht geliebt. Andersen war ein großer Lehrer, Boeckl der größere Künstler. Geprägt ist meine Malerei sicher auch vom Süden. Nicht nur in der Thematik, sondern auch durch meine Lehre bei Hegedusic und seiner Meisterklasse und unzähligen Freundschaften, wo ich in Malerkolonien gearbeitet habe. Es ist mir wichtig zu betonen, dass das Fremde mich immer inspiriert hat. Ich war und bin so viel in der Fremde. Ich bin ein Fremder.

Was genau meinen Sie mit "fremd"?
Das herkömmliche Vokabel "fremd" trifft gar nicht zu. Ich würde eher sagen "unbekannt". Das Unbekannte reizt mich immer neu. Es gibt in der Kunst nichts schlimmeres, als sich ständig im eigenen Fett herauszubraten. Man vergleiche sich mit anderen. Im Wettstreit wie in Freundschaft sich zu begegnen, ist für mich eine gewisse Voraussetzung.

Welchen Rat würden Sie einem jungen Künstler heute geben?
Ein paar Maximen in Stichworten: Möglichst frei bleiben, um das tun zu können, was einem wirklich ein Anliegen ist. Künstlerisch Verantwortung zu tragen, sich selber fordern, sich nicht vom Alltag abkoppeln in Nischen, und an sich glauben. Und wenn es geht, direkt reden, wobei ich nicht die Sprache meine, sondern die Darstellung. Es fällt sicher auf, dass meine Malerei eine sehr direkte ist, das ist so, wie wenn ich mit jemandem nicht aus Distanz, nicht untergeben und nicht überheblich spreche. Im Alter aber haushalten! Es gibt ja alte Künstler auch, aber dennoch jeden Tag so sehen, dass ich den Tag gestalte. Nach vorne schauen. Das Gemachte ist später auch einmal Ballast, weil es gestern war, aber auch weil Kunst Ware ist. Neben dem Ernst insgesamt den Humor, das Spiel nicht vernachlässigen, den Zufall nicht ausklammern, sonst wird man zu dogmatisch, weil genaugenommen ist eine Formregel der Komposition Nonsens, so wie Inhalt, wenn er formal nicht gebändigt ist, Schmalz ist. Aber nicht immer ist ein Malerprofi ein Dilettant. Weil "dilettare" hieße ja, dass man sich freut. Wenn du 60 Jahre malst, musst du auch dann arbeiten, wenn du nicht in freudiger Erregung bist. das ist aber zugleich auch eine Anekdote jenen Dilettanten gegenüber, die glauben, weil sie drei Kurse gemacht haben, wartet nun die Welt auf sie. Wobei ich auch jene Dilettanten verstehe. Malerei, künstlerische Tätigkeit verheißt die Sehnsucht eines erfüllten Lebens. Das ist wahnsinnig viel wert für einen Menschen.

--- Martin Titz, steirische berichte 5-6/11


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